Auf Trailtauglichkeit geprüft.
Alpine-Circle-Biketour
Von Ines Thoma
Ich liebe Bikepacking – und Mehrtagestouren. Das Gefühl, einfach immer weiterzufahren und nicht am selben Tag zum Ausgangspunkt zurückkehren zu müssen, ist zugleich spannend und eröffnet viele neue Optionen. So ist es möglich, fast endlos weiterzufahren, Berge zu überqueren und in anderen Tälern anzukommen. Als ich von der neuen Alpine-Circle-Biketour in Graubünden erfuhr, war ich Feuer und Flamme.
Das Konzept ist einfach und zugleich raffiniert: Dank der idealen Anbindung der Route an den öffentlichen Verkehr und den Erweiterungsmöglichkeiten der Tagestouren, sollen sowohl Trail-Neulinge, als auch versiertere Biker*innen auf ihre Kosten kommen. Mich hat als Mutter einer 15 Monate alten Tochter und mit einem ebenfalls Bike-verrückten Freund vor allem interessiert, ob wir auch als Familie gemeinsam auf eine Mehrtages-Tour gehen können und dabei alle Spass haben.
Die Alpine-Circle-Biketour hat genau das möglich gemacht. Wir konnten gewisse Abschnitte gemeinsam auf dem Bike bestreiten und andere mit dem Postauto oder Zug mit unserer Tochter zurücklegen. Manchmal haben wir uns auch aufgeteilt und nur ein Elternteil hat allein den Fahrtwind auf zwei Rädern genossen. Das Bündnerland beheimatet zudem einige der besten Biketrails der Welt und bietet eine sagenhafte Landschaft, was dieses Abenteuer für uns umso reizvoller machte.
Tag 1.
Gletscher- und Vanilleeis in St. Moritz
Dass hier direkt am Bahnhof in Pontresina neben der Jugendherberge ein Pumptrack ist, kann kein Zufall sein. Ich pumpe mich ein paar Runden warm und Tochter Romy, die heute mit auf Tour geht, darf währenddessen im Beachvolleyball-Feld Sandburgen bauen. Nach dem Warm-Up geht es über schmale Wege, teils auf Schotter und teils auf Trail zum Morteratschgletscher. Ein sehr schönes Panorama. Die Trailabschnitte sind nicht wirklich schwierig, jedoch schmal und nur mit einem einachsigen Kinderanhänger zu bewältigen Auf dem Weg runter zur Jugendherberge in St. Moritz stoppen wir noch für ein Eis am wunderschönen Stazersee. Das nenn ich einen gelungenen Auftakt.
Tag 2.
1000 Höhenmeter Uphillflow über der Scalettapass
Da der Tag regnerisch und kühl beginnt, planen wir um. Romy wird mich die ersten Kilometer entlang des Inns nicht begleiten. Bald biege ich ohnehin ab und schraube mich über 1000 steile, aber mit der nötigen Fitness fast schon flowige Höhenmeter hoch zum Scalettapass. Je höher ich komme, desto ruhiger wird es. Der Trail führt mich durch wunderschöne Hochtäler mit rauschenden Bergflüssen und über grüne Wiesen.
Die Gipfel sind nebelverhangen. Doch das stört mich nicht, denn die technische Abfahrt auf den nassen Steinen verlangt volle Konzentration und zaubert mir auch bei diesem Wetter ein Lächeln ins Gesicht. In Davos angekommen blicke ich noch einmal zurück und mein Grinsen wird noch breiter. So eine Überquerung von einem Tal ins nächste ist schon etwas ganz Besonderes und macht für mich ein echtes Bikeabenteuer aus.
Tag 3.
Wahrhaft episch – über 40 km Alps Epic Trail
Auch für den heutigen Tag habe ich mir die «Expertenvariante» ausgesucht, denn den legendären Alps Epic Trail kann ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Da strample ich auch gerne mal 600 Höhenmeter extra, denn die Gondel zum Jakobshorn fährt in diesem Sommer nur bis zur Mittelstation. Ausser mir scheint niemand diese Idee zu haben und so bin ich weit und breit die einzige Bikerin. Ich geniesse die Ruhe und Magie des Trails in vollen Zügen. Der Trail ist abwechslungsreich und lang. Er schlängelt sich dem Hang entlang und scheint niemals zu enden. Eine gefühlte Ewigkeit später erblicke ich den Fluss Landwasser. Der Anblick ist ein Schauspiel. Entlang des Trails führt die Route der Rhätischen Bahn. Die Strecke führt durch Schluchten und Tunnels und über spektakuläre Viadukte.
Tag 4.
Durch die sagenhafte Rheinschlucht
Der Morgen des vierten Tages verläuft fahrtechnisch entspannter und führt durch kleine Dörfer und über Panoramawege – von der Lenzerheide bis hinunter nach Reichenau. Auf diesem Abschnitt könnte man auch problemlos den Kinderhänger mitnehmen. Doch Romy wollte nicht mit. Sie war zu beschäftigt mit den Babyziegen im Garten des Nachbarn, der superschönen Jugendherberge in Valbella. Von Reichenau aus führt die Route oberhalb der Rheinschlucht bis nach Valendas. Unbedingt bei der Aussichtsplattform kurz vor Versam eine Pause einlegen und den Blick über Schlucht schweifen lassen. Zurecht wird diese als Swiss Grand Canyon bezeichnet. Am Abend falle ich dann überglücklich in mein Jugi-Bett im wellnessHostel3000 in Laax. Was für ein stylisches Hostel – quasi Jugendherberge 2.0.
Tag 5.
Trail-Cooldown bis Chur
Birchermüesli und Panoramafenster, so geniessen wir das Frühstück am nächsten Morgen. Einen Besuch wert sind auch die Flimser Badeseen. Wer Zeit hat, sollte am letzten Tag am Caumasee die Tour revuepassieren lassen. Erfreulicherweise verläuft die heutige Tour über viele kleine und flowige Trails hinunter nach Chur. Vor allem die letzten Abschnitte entlang des Rheins machen unglaublich viel Spass. Ein toller Abschluss!
Mein Fazit
Die Alpine-Circle-Biketour ist eine super Möglichkeit für alle, die noch wenig Erfahrung mit Mehrtagestouren haben und die keine Zeit für die sonst aufwändige Planung verschwenden wollen. Auch für Gruppen und Familien mit verschiedenen Leistungsniveaus oder alle, die flowige und nicht zu technische Bike-Trails lieben, eignet sich die Tour. Hier ist für jeden was dabei. Ich freue mich, die Trails in einigen Jahren gemeinsam mit Romy abzufahren.
Autorin.
Ines Thoma
Ines war jahrelang die beste Enduro-Bikerin Deutschlands. Mittlerweile ist sie Mutter von Tochter Romy und weiterhin auf der Suche nach anspruchsvollen Trails und schönen Touren. Aus dem Profisport hat sie sich noch nicht verabschiedet und bestreitet noch immer Rennen auf höchstem Niveau.