Aus Holz & Stein.
Alpine Architektur in Vals und der Surselva
Von Dominik Gehl
Was haben der Céline Flagship Store in Miami, das Kunsthaus Bregenz in Österreich und eine Käserei in Disentis gemeinsam? Sie wurden alle von berühmten Schweizer Architekten entworfen: Rudolf und Valerio Olgiati, Peter Zumthor und Gion A. Caminada. Sie alle haben in der Surselva sowie in Vals architektonische Highlights geschaffen und prägen damit das Erscheinungsbild der Region – jeder auf seine persönliche Art.
Sennaria Surselva, Disentis
Am Fusse des Lukmanierpasses, bloss zehn Gehminuten vom berühmten Kloster Disentis entfernt, fügt sich die Sennaria Surselva in die alpine Landschaft ein. Die Käserei wird von der Firma Dörig-Bergsenn AG betrieben, produziert werden hier diverse Käsesorten, die Milch liefern Bauern aus der oberen Surselva. Das Fabrikgebäude in Beton mit seinem begrünten Dach wurde von Gion A. Caminada entworfen und 2011 eingeweiht. Im Gegensatz zur Aussenansicht, die von Grau und Grün dominiert wird, erwartet einen im Inneren das warme Orange von Backsteinen. In Kombination mit Holz bilden diese den optischen Schwerpunkt in den öffentlich zugänglichen Räumen, hauptsächlich im Käsegeschäft. Durch grosse Fenster blickt man von hier aus mitten in das Herz der Käserei und kann bei den verschiedenen Schritten der Käseherstellung zusehen.
Mädcheninternat Benediktinerkloster Disentis
Die Geschichte des Klosters Disentis geht bis zum Jahr 720 zurück, damit ist es eines der ältesten Benediktinerklöster der Schweiz. Seit dem 19. Jahrhundert können Jugendliche hier das Gymnasium besuchen, ein Teil von ihnen lebt im Internat.
Die Mädchen wohnen im Unterhaus, das von Gion A. Caminada entworfen wurde. Das fünfstöckige Gebäude schmiegt sich an den Hang, sodass jede Etage über einen eigenen Eingang verfügt. Die Zimmer der Mädchen sind zwar klein, aber gut durchdacht. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Fensternischen gelegt, die als Rückzugsorte dienen.
Caplutta Sogn Benedetg, Sumvitg
Nachdem eine Lawine 1984 die Barockkapelle von Sumvitg zerstört hatte, entschied man sich beim Neubau für einen Vorschlag von Peter Zumthor, dem eine minimalistische, tropfenförmige Kapelle vorschwebte. Das 1988 fertiggestellte Gebäude steht unweit vom ursprünglichen Standort, ist jedoch durch den umliegenden Wald vor Lawinen geschützt. Die Aussenfassade ist vollständig mit Holzschindeln bedeckt, ähnlich wie auch bei den traditionellen Häusern der Region. Durch Glasscheiben im oberen Teil der Wände fällt natürliches Licht in den Innenraum.
Zumthor Ferienhäuser, Leis
Eine von Peter Zumthors berühmtesten Arbeiten steht zweifellos in Vals – nur eine kurze Autofahrt davon entfernt, im Weiler Leis auf 1526 m ü. M., stehen jedoch noch weitere seiner Bauten. Die drei Ferienhäuser sind zwar weniger bekannt, müssen sich aber keineswegs verstecken.
Komplett aus Holz gebaut und mit raumhohen Fenstern, erwecken sie ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit und rahmen gleichzeitig eindrucksvoll die umliegende Landschaft ein. Und wie immer ist die Präzision von Peter Zumthors Arbeit beeindruckend.
Therme Vals
Vals auf 1250 m ü. M. hat zwar nur rund 1000 Einwohner, weltbekannt ist das Bergdorf trotzdem. Zu verdanken ist das Peter Zumthor und seinem wohl bekanntesten Werk, der «7132 Therme & Spa». Aus 60 000 Valser Quarzit-Platten gebaut, ist das Gebäude so einmalig, dass es bereits 1998, zwei Jahre nach seiner Einweihung, unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die Therme besteht aus insgesamt sieben verschiedenen Pools, alle mit einem eigenen Ambiente und einer Temperaturspanne von 14 bis 42 °C.
Stiva da morts, Vrin
In Vrin ist es Brauch, sich von Verstorbenen in deren Haus zu verabschieden. Diesem Ritual in einem öffentlichen Raum einen ähnlichen Rahmen bieten zu können, ist die Funktion der Stiva da morts, der Totenstube. Das 2003 von Gion A. Caminada erbaute Gebäude befindet sich direkt neben der Pfarrkirche Vrin und wurde 2004 mit dem Holzbaupreis Graubünden ausgezeichnet. Wie in der Gegend üblich, kreierte Caminada die Stiva als Strickbau; eine Bauart, die viel Holz benötigt. Dieses stammt aus den Wäldern rund um Vrin und wurde von einheimischen Handwerkern verarbeitet. Die Aussenwände sind mit einer Mischung aus Quark und Kalk bestrichen und leuchten in mattem Weiss. Damit nehmen sie den Farbton der Kirche auf und sorgen dafür, dass sich die Stiva, welche die Ebene des Friedhofs mit der Dorfstrasse direkt darunter verbindet, harmonisch in das Ortsbild einfügt.
Gasthaus am Brunnen, Valendas
Das Gasthaus am Brunnen, früher Engihuus genannt, stammt aus dem Jahr 1517 und steht direkt neben dem grössten Holzbrunnen Europas. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten unter der Leitung von Caminada konnte das Gasthaus 2014 eingeweiht werden. Ziel des Umbaus war es, die Bausubstanz des alten Gebäudes mit neuen Strukturen so zu ergänzen, dass das Gasthaus den Ansprüchen der modernen Zeit gerecht wird und sich dennoch harmonisch in die Umgebung einfügt.
Im Treppenhaus ist die alte Seele des Hauses wohl am besten spürbar. Die sieben individuell gestalteten Hotelzimmer wirken warm und gemütlich, das Essen im Restaurant ist spektakulär und hat seine 15 Gault-Millau-Punkte wirklich verdient.
Casa Las Caglias
Auf einem Felsen in Flims-Waldhaus thront seit 1960 die Casa Las Caglias und beherbergt fünf Studios, die als Ferienwohnungen vermietet werden. Die Casa war der erste von rund 20 Bauten, welche der Architekt Rudolf Olgiati für Flims konzipierte. Diese Ansammlung von Gebäuden wird daher auch «Olgiati-Dorf» genannt. Die eigenwillige Mischung von Moderne und historischen sowie regionalen Bezügen ist typisch für Olgiati, einem Vertreter der Neuen Sachlichkeit.
Zum Gebäudekomplex gehört auch ein in den Felsen integriertes Schwimmbad, das nur durch eine Glastür vom hauseigenen Restaurant getrennt ist. Und dieses serviert in einmaliger Atmosphäre ausgezeichnetes Essen; die Capuns sind nicht zu versäumen!
Das Gelbe Haus Flims
1995, kurz vor seinem Tod, vermachte Rudolf Olgiati der Gemeinde Flims einen Teil seiner Kulturgütersammlung. Daran knüpfte er die Bedingung, dass das Gelbe Haus in der Mitte des Dorfes nach seinem Geschmack zu renovieren sei und insbesondere, dass es «von zuoberst bis zuunterst weiss anzustreichen» sei.
1997 wurde Valerio Olgiati – Rudolfs Sohn, ebenfalls ein Architekt – mit der Renovierung beauftragt. Er liess das Gebäude komplett umbauen: Der Putz wurde bis zu den Natursteinmauern entfernt, ebenso alle Innenwände, um grosse Ausstellungsräume zu schaffen. Das Gebäude, das bis dahin in Gelb erstrahlte, wurde entsprechend des Wunschs von Rudolf Oligati komplett weiss gestrichen. Der Umbau war ein voller Erfolg: 1999 zeichnete das Architekturmagazin Hochparterre das Gelbe Haus mit dem «Goldenen Hasen» für die beste Schweizer Architektur aus.
Autor.
Dominik Gehl
Dominik ist ein Software-Ingenieur aus Lausanne mit einer grossen Leidenschaft für moderne Architektur und Fotografie. Seine Bilder teilt er auf Instagram und auf dem englischsprachigen Online-Magazin «Newly Swissed», das 2010 von Dimitri und Mamiko Burkhard gegründet wurde.