Inspiration für mehr Attraktivität.
graubünden Tourismustag 2023 in Davos
Der graubünden Tourismustag vom 9. und 10. März 2023 im Kongresszentrum Davos gab der Branche die Gelegenheit zur Standortbestimmung. Mit New Work und Fachkräftemangel standen zwei Themen im Fokus der zweitägigen Veranstaltung, welche über den Tourismus hinaus beschäftigen. Zum einen geht es darum, sich in der Post-Pandemiezeit als attraktiven Arbeitgeber auf dem Markt zu positionieren, zum anderen sollen die Chancen von Remote Work oder vom «Homeoffice in den Bergen» für den Bündner Tourismus genutzt werden. Unter der Co-Moderation von Maria Victoria Haas und Andri Franziscus teilten Expert*innen am Tourismustag ihr Fachwissen.
Jürg Schmid, Präsident von Graubünden Ferien, konnte vor rund 200 Personen aus der Wirtschaft und dem Tourismus auf eine bisher gelungene Wintersaison 2022/2023 zurückblicken. Die gute Bilanz sei das Verdienst aller Leistungsträger. «Tourismus ist eine Kernkompetenz von Graubünden», konstatierte Schmid. Für die Zukunft plädierte er dafür, noch mehr auf Wertschöpfung anstatt auf Kapazität zu setzen. Auch müsse sich der Tourismus auf grosse Veränderungen einstellen. So stünde die Branche beim Arbeitskräftemangel erst am Anfang. Zum Tagungsthema New Work strich Schmid hingegen die Chancen hervor: Immer mehr Menschen würden immer mehr Zeit in Graubünden verbringen, da sie ortsunabhängig arbeiten könnten.
Unternehmen sind gefordert
Wie der Fachkräftemangel entschärft werden kann, darüber diskutierten Vertreter des Tourismus und der Gemeinden. Unternehmen müssten in das Arbeitgeber-Branding investieren und sich fragen, was sie für die Mitarbeitenden leisten könnten, erklärte die Hotelière Bettina Plattner-Gerber. Laut Marc Tischhauser, Geschäftsführer von GastroGraubünden, und Haempa Maissen, Head of People and Culture der Weissen Arena Gruppe, ist auch die Politik gefordert. Tischhauser bezeichnete die heutigen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen als zu starr. Maissen forderte etwa eine Beschleunigung der Bewilligungsverfahren.
Die Tourismusgemeinden haben den Handlungsbedarf erkannt. So zum Beispiel Davos, Pontresina und Disentis/Mustér. Der Davoser Landammann Philipp Wilhelm verwies auf die aktuelle Erarbeitung einer neuen Wohnraumstrategie. In Pontresina soll eine Stiftung gegründet werden, die Genossenschaftsbauten realisieren kann, wie Gemeindepräsidentin Nora Saratz Cazin sagte. Und Disentis/Mustér möchte laut dem Gemeindepräsidenten René Epp mit einer Ortsplanungsrevision zu neuem und mehr Wohnraum kommen.
Der nationale Bogen wurde an einem Podium mit den Tourismusdirektoren aus dem Tessin, aus dem Thurgau und aus Luzern gespannt. Im Tessin ist der Arbeitskräftemangel dank vieler Grenzgänger*innen nicht akut. Tourismusdirektor Angelo Trotta schätzte ihren Anteil in Hotellerie und Gastronomie auf rund die Hälfte ein. Auch Tourismusdirektor Marcel Perren sah im Fachkräftemangel kein Problem für Luzern, da habe die Stadt einen Standortvorteil. Thurgaus Tourismusdirektor Rolf Müller verwies auf die Bemühungen zur Vernetzung der Gastronomie- und Hotelleriebetriebe in seiner Region – auch zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Branche.
Der Kampf um Talente
Matthias Mölleney, Leiter des Centers for HRM & Leadership an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich, ordnete in einem Referat die Veränderungen in der Arbeitswelt ein. Er plädierte als Lösungsansätze dazu, digitale Lösungen zu forcieren, die Attraktivität der Arbeit zu steigern – beispielsweise durch mehr Mitbestimmung –, neue Zielgruppen in der Rekrutierung zu erschliessen und die Führung in den Firmen zu verbessern. «Was besonders zählt, ist die psychologische Sicherheit in den Unternehmen», so Mölleney.
Brigitte Küng, Co-Geschäftsführerin des Wirtschaftsforums Graubünden, machte deutlich, dass der Kampf um Talente nicht nur zwischen Unternehmen und Branchen geführt werde, sondern auch zwischen Stadt und Land. Der Graubünden-Ansatz müsse sein, Jobs mit Mehrwert zu schaffen. Hier könne Graubünden als Bergregion mit all seinen Freizeitmöglichkeiten klare Vorzüge vorweisen. Alle seien gleichermassen gefordert. «Es braucht eine Personalstrategie in Graubünden», sagte Küng. Denn die Aussichten laut dem Wirtschaftsforum sind: Wenn die Baby-Boomer-Generation in den kommenden Jahren in Pension geht, fällt bis 2040 jeder fünfte Arbeitnehmende weg.
Marcus Roller, Co-Leiter der Forschungsstelle Tourismus der Uni Bern, ordnete den Fachkräftemangel aus volkswirtschaftlicher Sicht ein. Er riet dazu, die «vorherrschenden Arbeitsbedingungen» zu ändern, zumal der Tourismus stark von einer hohen Fluktuation in andere Branchen betroffen und von der Migration abhängig sei. Urs Schönholzer gab als Delegierter für Wirtschaftskontakte in der Ostschweiz einen Einblick in die Währungspolitik und Wirtschaftsprognosen der Schweizerischen Nationalbank (SNB).
In Netzwerken arbeiten
Daniel Fust, CEO der Graubündner Kantonalbank (GKB), bezeichnete New Work als eine nachhaltige Transformation in der Arbeitswelt. Die GKB habe den Anspruch, zu den führenden New-Work-Unternehmen zu gehören. So arbeite die GKB heute prozessorientierter und stärker in Netzwerken. Mitarbeitende sollen dazu befähigt werden, eigeninitiativ zu handeln. Die Arbeitsplätze sind heute mobil. Neue, junge Ideen werden in einem internen Talent-Board entwickelt, mit dem sich die Geschäftsleitung regelmässig austauscht.
Zu den bisherigen Erfahrungen mit New Work diskutierten in einer Podiumsdiskussion Alex Villiger, Leiter Personal der GKB, Nicole Pfammatter, CEO Hotelplan Suisse, und Viviane Grobet, Geschäftsleitungsmitglied von Schweiz Tourismus. Von Bedeutung seien flache Hierarchien und das Einrichten von sich selbst organisierenden Teams, welche in Disziplinen arbeitend Lösungen eigen gestalten würden. «Die Mitarbeitenden wollen sich einbringen und Verantwortung übernehmen», sagte Pfammatter. Villiger ergänzte: «Wir entscheiden aus dem Team heraus.» In «Workation», der Verknüpfung von Arbeit und Ferien, sah Grobet ein grosses Potential für Graubünden. «Dies vor allem in der Verlängerung der Aufenthaltsdauer.»
Welche Möglichkeiten New Work den Bergregionen bringt, zeigte Gioia Deucher Vilchis vom InnHub La Punt. Eingebettet in die Natur des Engadins bietet der InnHub laut der Geschäftsführerin eine «kuratierte Community und erstklassige Infrastruktur für inspirierende Begegnungen und gemeinsames Schaffen». Bis 2026 entstehen Büros mit Workshopräumlichkeiten, ein Auditorium sowie ein Sportzentrum. Zusätzlich in den InnHub integriert werden Geschäfte.
Anatole Taubman als Special Guest
Als Special Guest trat am Tourismustag Anatole Taubman auf. Der gefragte Schweizer Schauspieler mit internationalen Wurzeln pflegt zu Graubünden eine besondere Beziehung. Nach einer schwierigen Kindheit hat er als Bub einige Zeit bei einer Pflegefamilie in Fanas im Prättigau gelebt. In den Bündner Bergen habe er Geborgenheit, Sicherheit und Stabilität erfahren. «Es war ein ‘Place of Paradise’». Sein erstes Geld habe er beim Heuen verdient. Graubünden habe er danach immer im Herzen behalten.
Ludwig Hasler teilte aus Sicht des Philosophen einige Gedanken zu den Veränderungen, wie sie die Gesellschaft aktuell erlebe. «Das Schicksal schlägt immer wieder zu», sagte er, dies hätten wir aus der Corona-Pandemie, aber auch aus dem Krieg in der Ukraine oder der Klimakrise gelernt. Er zitierte Friedrich Dürrenmatt: «Die Welt ist eine Pulverfabrik, in der das Rauchen nicht verboten ist.» Rückschritte würde man im Allgemeinen schlecht ertragen, dabei mache Fortschritt nicht zwingend glücklicher, mahnte er. Wahrer Luxus im Tourismus seien Ruhe und Raum sowie Zeit für zwischenmenschliche Beziehungen.
Wie schon bei den Austragungen 2019 in Laax und 2021 in Pontresina bot auch der dritte graubünden Tourismustag den Teilnehmenden neben den Panels im Kongresszentrum Davos eine Plattform zum persönlichen Austausch und zur Kontaktpflege. An der «Inspiration Night» im Chalet Bello in Davos wurden Neuigkeiten aus der Branche besprochen und Kontakte geknüpft.
graubünden Tourismustag 2023
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Inspiration Night 2023
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