Die Schätze des Berges.

Strahlen und Goldwaschen

Strahlen in der Surselva (© Oliver Zwahlen)
Oliver Zwahlen sucht in den Gebirgen und Flüssen der Surselva nach Kristallen und Gold. Von den Schätzen der Berge erhofft er sich grossen Reichtum.

Von Oliver Zwahlen

Die Surselva ist die Schatztruhe der Schweiz. Wer sich ins Zeug legt, findet hier mächtige Kristalle und sogar Gold. Ausgerüstet mit Hacke, Waschteller und dem geheimen Wunsch, schnell reich zu werden, machen wir uns auf die Suche – und finden etwas anderes.

Als wir am frühen Morgen mit der Seilbahn nach Cuolm da Vi hochfuhren, musste ich mir eingestehen, dass das Wortspiel, das ich mir über Wochen sorgsam zurechtgelegt hatte, nicht funktionieren würde: «Strahlen im Sonnenschein», hätte das Motto meines zweitägigen Ausflugs in die Bündner Bergwelt werden sollen, bei dem ich – so meine Vorstellung – rund um den Ferienort Disentis Kristalle und Gold in Hülle und Fülle finden würde. Stattdessen perlte nun an den Scheiben der Seilbahn der Regen ab, die Talstation verlor sich nach wenigen Augenblicken im dichten Nebel. Es war klar: Der Berg würde seine Schätze nicht so leicht hergeben.

Oliver Zwahlen auf der Suche nach Bergkristallen

Tag 1: Den Kristallen auf der Spur

Mit uns ist der Bergführer Otti Flepp. Er will uns in die Kunst des Strahlens einführen – uns also zeigen, worauf wir bei der Suche nach Kristallen achten müssen. Das Gebiet zwischen Disentis und der Rheinquelle gehört zwar zu den ergiebigsten Fundorten der Schweiz, Erfahrung und vor allem Glück braucht es trotzdem. Sensationsfunde sind möglich, aber selten. Am vielversprechendsten sind Gegenden, wo sich ein Gletscher frisch zurückgezogen hat. «Wir Strahler», sagt Otti mit einem Augenzwinkern, «sind vermutlich die einzigen, die sich über den Klimawandel freuen.»

Die Kristalle, die Strahler aufspüren, sind in der Regel so klein, dass sie auf dem Markt kaum etwas einbringen. Doch darum gehe es nicht, erklärt Otti, während er neben uns mit dem Strahlstock über der Schulter den Berg hochstapft. Strahlen, das sei einfach eine schöne Art, Zeit in der Natur zu verbringen. Und wenn man etwas finde, dann sei das Glücksgefühl die Zugabe.

Ein Gefühl, das auch Touristen erleben können. Im Sommer finden regelmässig Expeditionen mit Pickel, Hammer und Meissel statt. Dann darf nach Herzenslust gekratzt, gegraben und gebuddelt werden. Wer eine Kluft gefunden hat, also ein Ort, an dem sich besonders viele Kristalle gebildet haben, kann sie mit seinem Namen und der Jahreszahl markieren. Es gehört zum guten Umgang, nicht in den Grabungsorten der Kollegen zu wühlen.

Das tun auch wir nicht. Wir sind inzwischen an einem Ort angekommen, den Otti für aussichtsreich hält. Der Boden macht es uns derweil nicht allzu schwer: Nachdem wir die grösseren Steine weggewuchtet haben, stossen wir auf sandigen Grund. Bei jedem Spatenstich fiebern wir ein bisschen. Auf meinem Nacken vermischt sich der Schweiss mit dem Regen. Plötzlich schimmert ein Kristall in der Erde. Gerade einmal halb so gross wie mein kleiner Finger, aber doch mein erster Fund. Die Freude, von der Otti gesprochen hat, ergreift mich. Zumindest für einen kurzen Augenblick, denn dieser hat mittlerweile einen faustgrossen Kristall aus dem Rucksack gezogen. Das also ist hier möglich!

Bergführer Otti Flepp sucht nach Kristallen (Foto: © Oliver Zwahlen)

Bergführer.

Otti Flepp

Bietet diverse Outdoor- Erlebnisse, darunter Ski-, Hoch- und Klettertouren, Iglu-Abenteuer und Bogenschiesskurse an.

muntognas.ch

Bergkristall (Foto: © Oliver Zwahlen)

Tag 2: Goldstaub im Sand

Am nächsten Tag tauschen wir die nebelverhangenen Gipfel gegen den sonnengefluteten Vorderrhein. In den hiesigen Bergen werden riesige Goldvorkommen vermutet. Der Regen spült immer wieder Stückchen in den Fluss, wo sich die Goldkörnchen hinter grossen Steinen sammeln. Vor über 20 Jahren fand hier ein Schürfer ein 123 Gramm schweres Nugget, das bis heute grösste der Schweiz. Ein Glücksfund, der sich nicht so schnell wiederholen dürfte. Das Schürfen wurde zuletzt wieder stärker reguliert, um die wildromantische Natur und vor allem die Fische zu schützen. Nur noch in bestimmten Monaten und an wenigen Stellen darf gebuddelt werden – die motorisierte Suche ist seit langem ganz verboten.

Eingeführt in die Kunst des Goldwaschens werden wir von August Brändle, den hier oben alle nur als Gold-Gusti kennen. Der Zürcher, der seit vielen Jahren in der Surselva lebt, hat einen grossen Teil seines Lebens dem Edelmetall gewidmet. In verschiedenen Teilen der Welt hat er schon nach Gold gesucht: Australien, Neuseeland, Kanada.

August «Gold-Gusti» Brändle (Foto: © Oliver Zwahlen)

Kursleiter.

Gold-Gusti

Kurse im Goldwaschen, Verkauf und Vermietung von Goldwasch-Ausrüstung sowie An- und Verkauf von Goldnuggets.

gold-gusti.ch

August «Gold-Gusti» Brändle (Foto: © Stefan Schwenke)

Mit grünen Gummistiefeln, die weit übers Knie reichen, stehen wir in einer Flusskrümmung und bauen zusammen mit Gusti die Goldwaschrinne auf. Das rund ein Meter lange Gerät nutzt die Strömung des Flusses, um das Schürfen effizienter zu machen. Wenn Winkel und Gefälle passen, sinkt das schwere Gold in der Rinne ab, während Sand und Steine hindurchgespült werden. Ganz ohne Arbeit geht es trotzdem nicht: Schaufel um Schaufel füllen wir die Rinne mit neuem Material. Immer wieder blicken wir in den Strudel, ob wir vielleicht doch eines der Goldkörner erkennen, bevor es absinkt.

Als wir am Abend mit der klassischen Goldwaschpfanne die Schlacke unserer Goldwaschrinne auswaschen, ist die Ausbeute gering. Ein paar wenige Körnchen bleiben am Ende übrig. Nein, der schnelle Reichtum, der hat hier nicht auf uns gewartet. Für uns ist das in Ordnung, denn stattdessen konnten wir jede Menge Erfahrungen und Erinnerungen mit nach Hause nehmen. Reicher geworden sind wir vor allem an einem Ort: im Herzen.

Goldwaschen am Rhein (Foto: © Oliver Zwahlen)
Oliver Zwahlen wäscht Gold (Foto: © Oliver Zwahlen)

Autor.

Oliver Zwahlen

Immer Neues ausprobieren, lautet mein Motto. Dabei ist egal, ob das nun ausgefallene Reiseziele, leckere Speisen oder spannende Aktivitäten sind. Nicht ohne Grund fühle ich mich deswegen schon seit meiner Kindheit unterwegs am wohlsten. Unterwegs bin ich hauptsächlich als Backpacker, habe aber in den letzten Jahren eine zunehmende Freude an Roadtrips gefunden.

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