Weitwandern auf Schnee.
Via Engiadina
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Von Thalia Wünsche
Ankunft in Zernez
Das Abenteuer Weitwandern im Winter startet gemütlich. Die Rhätische Bahn bringt uns am Vorabend nach Zernez. Wir erkunden den Ort und studieren die Routen der kommenden Tage. Mit Vorfreude im Bauch und dem Arvenduft unseres Zimmers in der Nase gehen wir ins Bett.
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
Die wichtigsten Informationen
- Tipp: Besuch der Ausstellung im Nationalparkzentrum
- Übernachtung: Hotel Acla-Filli
Etappe 1: Von Zernez nach Guarda
Kurz nach 9 Uhr nehmen wir die erste Etappe der Via Engiadina in Angriff. Bis Lavin führt diese fast die ganze Zeit entlang des Inns. Lange Abschnitte des Weges liegen noch im Schatten. Ohne Sonne ist es bitterkalt. Und wir stellen fest: Wir sind zu früh losgelaufen. Um uns warm zu halten, marschieren wir im Stechschritt. Die Landschaft kommt dadurch leider zu kurz.
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Einkehr: Ustaria des Hotel Piz Linard in Lavin
Nach drei Stunden erreichen wir Lavin. In der Ustaria des Hotel Piz Linard finden wir Wärme und ein grosses Kuchenbuffet. Wir entscheiden uns für Apfelkuchen und Torta della Nonna. Letztere ist unser Favorit.
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Von Lavin geht es mit angenehmer Steigung die Talflanke hoch. Die Sonne wärmt uns den Rücken und schon bald verstauen wir die Daunenjacken im Rucksack. Eine Stunde später sind wir in Guarda – und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus: Das Dorf sieht aus, als wäre es einem Heimatroman entsprungen: Die Gassen sind mit Kopfstein gepflastert, die Bauernhäuser reich verziert. Viele Fassaden sind bemalt, andere tragen Sgraffiti, in den feuchten Putz gekratzte Muster und Illustrationen.
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Die wichtigsten Informationen
- Dauer: 4:30 h
- Strecke: 16,1 km
- Höhenmeter: ↑ 435 m / ↓ 251 m
- Unterkunft: Meisser Resort Guarda
- Tipp: Zum Meisser Resort gehört ein Wellnessbereich mit Sauna; optimal um sich nach einem Tag in der Kälte aufzuwärmen.
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Etappe 2: Von Guarda nach Ardez
Mit eineinhalb Stunden ist die heutige Tagesetappe kurz. Wir schlafen aus und geniessen das Frühstücksbuffet des Meisser Resorts ausgiebig. Früh loszulaufen, ergibt keinen Sinn – das haben wir gestern gelernt. Besser ist: Man geht es am Morgen gemütlich an.
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Wir lassen Guarda hinter uns und wandern auf der alten Engadinerstrasse zum Weiler Bos-cha. Hier entscheiden wir uns für den Umweg über Munt d’Ardez. In Kehren geht es durch den Nadelwald hoch nach Craista Suttera. Belohnt werden wir mit einer tiefverschneiten Hochebene und Stille. Das einzige Geräusch ist das Ächzen der Schneekristalle unter unseren Wanderschuhen.
Schon bald beginnt der Abstieg und wir begegnen Winterwander*innen, die sich mit Schlitten im Schlepptau den Berg hochkämpfen. Ein paar Kurven weiter erhaschen wir den ersten Blick auf Ardez.
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Ardez ist grösser als Guarda, aber nicht weniger schön. Auch dieses Dorf wird von mächtigen Engadiner Häusern mit grossen Eingangstoren und kleinen nach hinten versetzten Fenstern dominiert. Ein Spaziergang durch die Gassen auf der Suchen nach den schönsten Sgraffiti lohnt sich.
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Die wichtigsten Informationen
- Dauer: 1:30 h
- Strecke: 4,8 km
- Höhenmeter: ↑ 24 m / ↓ 238 m
- Unterkunft: Hotel Schorta's Alvetern
- Tipp: Wer die Etappe verlängern möchte, nimmt den Umweg über Munt d’Ardez (plus 1 h und 265 Höhenmeter).
Etappe 3: Von Ardez nach Scuol
Ardez verlassen wir nur ungern. Mit jeder Gasse, die wir gestern erkundet haben, haben wir uns mehr ins Bergdorf verliebt. Ein letztes Mal schlendern wir durch die Hauptstrasse, um vom Hotel auf den Winterwanderweg zu gelangen. Dann sind wir zurück in der Winterlandschaft.
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Der einzige Anstieg des Tages erwartet uns gleich zu Beginn. Die erste Viertelstunde hat es in sich, danach geht es flach weiter. Zuerst auf Winterwanderwegen, dann einige Kilometer der Strasse entlang. Mit Asphalt unter den Füssen stellen wir fest: Wandern auf Schnee ist doch anstrengender. Wir sind froh, hat man dies bei der Via Engiadina berücksichtigt und nicht zu lange Etappen gewählt.
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Einkehr: Cafè e Butea Scuntrada in Ftan
Ftan erreichen wir kurz vor Mittag. Die ausgehängte Speisekarte des Cafés Scuntrada überzeugt uns, schon jetzt eine Pause einzulegen. Wir stärken uns mit vegetarischer Gerstensuppe und haben Mühe, der Versuchung der Zuckerbäcker-Nusstorte zu widerstehen. Im Scuntrada gibt es nicht nur Essen, sondern auch handgestrickte Schals in allen Farben. Es ist Café und Boutique in einem.
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Weiter geht’s Richtung Scuol. Schon bald führt der Weg abwärts und wir werden immer wieder von Schlittler*innen überholt, die von Ftan ins Tal hinuntersausen. Eine Stunde später sind wir am Ziel. Unsere Unterkunft, das Hotel Altana, liegt direkt bei der Talstation der Gondelbahn, wo die heutige Etappe endet.
Die wichtigsten Informationen
- Dauer: 3:20 h
- Strecke: 12,2 km
- Höhenmeter: ↑ 260 m / ↓ 406 m
- Unterkunft: Hotel Altana oder Hotel Traube
- Tipp: Mit der Gästekarte Engadin Scuol Zernez, die im Angebot der Via Engiadina inkludiert ist, erhält man jeden Tag eine kostenlose Fahrt mit den Bergbahnen inkl. Schlittenmiete. Von Ftan geht es mit dem Sessellift hoch nach Prui und über die Schlittelbahn zurück ins Dorf.
Etappe 4: Von Scuol nach Sent
Das Beste kommt zum Schluss – auch bei der Via Engiadina. Für die vierte Etappe geht es mit der Bergbahn ins Skigebiet Motta Naluns. Auf über 2000 m ü. M. sind wir den Bergen noch näher als die letzten Tage.
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Oben angekommen, folgt ein knackiger Anstieg: Der Winterwanderweg verläuft auf dem ersten Kilometer parallel zur Skipiste. Hat man die Höhe erreicht, geht es kurz gerade aus, bevor man Richtung Bergrestaurant Alpetta absteigt. Das ist der Preis dafür, dass wir heute in höherem Gefilde und damit so richtig in den Bergen unterwegs sind. Wir zahlen ihn gerne.
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Nach einer weiteren halben Stunde ist der nächste Gegenanstieg geschafft. Vor uns liegen tiefverschneite Hänge, am Himmel hängen Föhnwolken. Die Bergbahnen und das rege Treiben auf der Piste haben wir hinter uns gelassen. Hier gehört der Winter nur uns. Bis zum Restorant Vastur wird das so bleiben.
Einkehr: Restorant Vastur
Trotz winterlicher Temperaturen wählen wir einen Platz auf der Terrasse. Unser Winterabenteuer wird schon bald zu Ende sein und wir wollen ein letztes Mal die Aussicht auf die Berge geniessen. Wir packen uns dick in die Schaffelle der Bergbeiz ein und bestellen heisse Getränke und warmes Essen: Punsch und Gulaschsuppe, Ingwer-Tee und Hauswurst.
Gesellschaft leistet uns der Restaurant-Hund. Ob er mehr an den Streicheleinheiten oder der Wurst interessiert war, bleibt offen.
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Wer im Restorant Vastur einkehrt, kann für die Fahrt ins Tal kostenlos einen Schlitten ausleihen. Ein Angebot, das wir begeistert annehmen. Nach einer Viertelstunde sind wir im Tal. Wir erreichen Sent und damit das Ende der Via Engiadina.
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Die wichtigsten Informationen
- Dauer: 4:30 h
- Strecke: 13,7 km
- Höhenmeter: ↑ 227 m / ↓ 951 m
- Tipp: Die Winterwanderung von Motta Naluns nach Sent kann wegen Gleitschneelawinengefahr gesperrt sein. Eine gute Alternative ist die Rundtour von Scuol nach Vastur.
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6 Tipps fürs Winterwandern auf der Via Engiadina
- Ausschlafen. Im Gegensatz zum Sommer empfiehlt es sich, im Winter nicht zu früh zu starten. Besser ist: Ausschlafen und erst loswandern, wenn die Wege in der Sonne liegen.
- Spikes und Stöcke. Gewisse Wegabschnitte können vereist sein. Wanderstöcke helfen, das Gleichgewicht zu halten. Noch besser sind Spikes, damit man gar nicht erst rutscht.
- Zwiebelprinzip gegen das Schwitzen. Anstatt einer dicken Winterjacke trägt man besser mehrere dünne Kleidungsschichten. Sobald die Sonne scheint und es aufwärts geht, wird einem schnell warm. Schwitzen sollte man beim Winterwandern verhindern. Ist die Kleidung feucht, kriecht einem die Kälte in die Knochen.
- Wanderschuhe. Das beste Schuhwerk zum Winterwandern sind Wanderschuhe. Schneeschuhe benötigt man nicht. Alle Winterwanderwege sind gut präpariert und man bricht nicht ein.
- Thermosflasche. Zusätzlich zur Wasserflasche empfiehlt es sich, eine Thermoflasche mitzunehmen. Heissen Tee bekommt man morgens in den Hotels.
- Sich über die Lawinensituation erkundigen. Solange man auf markierten Winterwanderwegen unterwegs ist, benötigt man in der Schweiz keine Lawinenausrüstung. Es kann aber sein, dass Wegabschnitte wegen Lawinengefahr gesperrt werden. Die Etappe 4 der Via Engiadina ist davon regelmässig betroffen. Am besten erkundigt man sich am Vorabend bei der Tourismusdestination oder online.
Das Angebot «Via Engiadina im Winter»
- Vier Übernachtungen mit Frühstück (Halbpension auf Anfrage und gegen Aufpreis)
- Gepäcktransport von einem Hotel zum nächsten
- Gästekarte Engadin Scuol Zernez für die freie Fahrt mit dem öffentlichen Verkehr und täglich einer Berg- und Talfahrt mit den Bergbahnen inkl. Schlittenmiete
- Reisedokumentation mit Wegbeschreibungen
- Ab CHF 480.– pro Person im Doppelzimmer
Die Via Engiadina im Überblick
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Autorin.
Thalia Wünsche
Thalia ist Wahlbündnerin und bringt seit 2016 für Graubünden Ferien Journalist*innen und Blogger*innen an die schönsten Orte der Region. Wenn sie nicht hinter dem Schreibtisch sitzt, ist sie am liebsten in der Natur unterwegs; entweder mit ihrem Hund oder ihrer Kamera.