Architektur erleben.
4 Tage in der Surselva
Von Dominik Gehl
Tag 1.
Ankunft in Valendas und erste Wanderung in der Ruinaulta
Meine Familie und ich wohnten während unserem Aufenthalt im Türalihus, einem barocken Bürgerhaus mit einem markanten Turm im historischen Dorfkern von Valendas, dem Ausgangspunkt für alle unsere Ausflüge. Die Geschichte des Gebäudes geht auf das Jahr 1485 zurück. Nach 60 Jahren Leerstand wurde es 2014 von der Stiftung Ferien im Baudenkmal und den Architekten Capaul & Blumenthal renoviert und kann nun als Ferienhaus gemietet werden.
Aussichtsplattform Zault
Auf der Fahrt von Chur nach Valendas, kurz nach Bonaduz, werden Sie feststellen, dass die Strasse plötzlich viel schmaler wird. Von der Aussichtsplattform Zault können Sie einen ersten Blick auf die imposante Rheinschlucht werfen. Die spiralförmige Plattform wurde von Walter Bieler entworfen.
Von hier aus führt der malerische Weg weiter nach Valendas, wo das Türalihus steht. Das Bergdorf Valendas beherbergt den grössten Holzbrunnen Europas mit einem Hauptbecken, das 15’000 Liter fasst. Es wurde 1760 erbaut und war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die einzige Wasserversorgung im Dorf.
Türalihus
Im Türalihus befinden sich zwei Ferienwohnungen. Die obere für sieben und die untere Wohnung für vier Personen. Der Eingang führt in den steinernen Treppenturm, der zugleich als Treppenhaus dient.
Die Inneneinrichtung in der Ferienwohnung ist charmant, mit vielen interessanten Details aus der Jahrhunderte alten Geschichte des Hauses.
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Faszinaturweg Valendas
Sobald Sie sich im Baudenkmal eingelebt haben, empfehle ich Ihnen einen ersten kurzen Spaziergang durch die Rheinschlucht. Der Faszinaturweg rund um Valendas dauert etwa 90 Minuten.
Gasthaus am Brunnen
Nur wenige Schritte vom Türalihus entfernt befindet sich das Gasthaus am Brunnen. Die Gerichte sind spektakulär und die 15 Gault Millau-Punkte sind wohlverdient. Der Besuch ist für jeden Feinschmecker ein Must!
Tag 2.
Flims erkunden
Flims hat etwa 3000 Einwohner und war in der Vergangenheit das Winterdorf der Almbauern. Viele Häuser haben heute noch die traditionelle Struktur mit Scheunen im Erdgeschoss und Wohnräumen im Obergeschoss.
Im Jahr 1877 wurde das Flimser Waldhaus als erstes grosses Hotel der Region eröffnet. 1940 wurden dann die ersten privaten Ferienhäuser gebaut und heute werden mehr als die Hälfte aller Wohnungen und Häuser zu Erholungszwecken genutzt. Flims ist berühmt für den Wintersport und veranstaltet regelmässig internationale Ski- und Snowboardrennen.
Park la Mutta Falera
Auf dem Weg nach Flims liegt der Park la Mutta Falera. Dieser entstand in der mittleren Bronzezeit (1600–1200 v. Chr.) und ist die grösste und bedeutendste Megalithanlage der Schweiz.
Caumasee und Il Spir
Vom Park aus können Sie zum Caumasee fahren und eine schöne Wanderung zum Aussichtspunkt Il Spir unternehmen. Der für seine türkisgrüne Farbe berühmte Caumasee gehört zu den schönsten Bergsee der Schweiz. Er wird von unterirdischen Quellen gespeist und seine westliche Bucht friert auch im Winter nie zu.
Die spektakuläre Aussichtsplattform Il Spir befindet sich in Conn und wurde von der Churer Architektin Corinna Menn entworfen und 2006 eingeweiht. Sie bietet einen wunderschönen 180-Grad-Blick auf die Ruinaulta.
Die Architekten Rudolf und Valerio Olgiati
Ein berühmter Architekt der Region ist Rudolf Olgiati, der von 1910 bis 1995 lebte. Er studierte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich und schloss 1934 ab. Er arbeitete zunächst als Architekt in Zürich, bevor er 1944 nach Flims zog. Als Architekt wurde er zu einem Vertreter der Neuen Sachlichkeit und ist bekannt für seine kubische Formensprache.
Olgiati baute hauptsächlich Familienhäuser in Graubünden. In Flims Waldhaus gibt es ein Quartier, das auch Olgiati-Viertel genannt wird, wegen der vielen Häuser, die er dort entworfen und gebaut hat. Casa Las Caglias, ein 1960 fertiggestelltes Wohnhaus das 1972 um die Casa Raduff erweitert wurde, war eines der ersten Gebäude in dieser Gegend. Das Haus ist auf einem Felsen gebaut, der in den Poolbereich im Untergeschoss integriert ist. Das Licht und die Atmosphäre erinnern mich sehr an die Gebäude von Cesar Manrique auf den Kanarischen Inseln.
Ein paar Schritte entfernt befindet sich das Gelbe Haus, dessen Geschichte sowohl mit Rudolf Olgiati als auch mit dem seines Sohnes Valerio Olgiati, verbunden ist. Dieser ist in die Fussstapfen seines Vaters getreten und arbeitet heute auch als Architekt in Flims. Kurz vor seinem Tod 1995 schenkte Rudolf Olgiati der Gemeinde Flims einen Teil seiner Kulturgutsammlung mit der Auflage, das gelbe Haus in der Dorfmitte nach seinen Vorstellungen zu renovieren. Insbesondere sollte das Haus von oben bis unten in Weiss gestrichen werden.
Im Jahr 1997 wurde Valerio Olgiati mit der Renovierung beauftragt, der das Gebäude komplett umgestaltete. Alle Innenwände wurden entfernt, um grosse Ausstellungsräume zu schaffen, und der Aussenputz wurde bis auf die Natursteinwände abgetragen. Das Gebäude, das zuvor gelb gestrichen war (daher der Name) wurde weiss gestrichen, einschliesslich des neuen Fliesendachs.
Tag 3.
Peter Zumthor
Heute nehme ich Sie mit auf einen Rundgang zu zwei der berühmtesten Bauwerke des bekannten Architekten Peter Zumthor in der Schweiz: die Therme Vals und die Kapelle St. Benedikt in Sumvitg.
1943 in Basel geboren, absolvierte Zumthor zunächst eine Ausbildung zum Möbelschreiner. Er setzte sein Studium an der Kunstgewerbeschule fort, bevor er 1966 am Pratt Institute in New York Industriedesign und Architektur studierte. Zumthor gründete 1979 sein eigenes Architekturbüro und wurde 2009 mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet.
Kapelle des Heiligen Benedikt, Sumvitg
Nachdem eine Lawine 1984 die barocke Kapelle in Sumvitg zerstört hatte, wurde als Ersatz der Vorschlag von Peter Zumthor für eine minimalistische, tropfenförmige Kapelle gewählt. Die St. Benedikt-Kapelle in Sumvitg befindet sich in der Nähe des ursprünglichen Standortes, ist aber durch den umliegenden Wald vor Lawinen geschützt. Sein Äusseres ist komplett mit Holzschindeln bedeckt, als Anlehnung an die traditionellen Häuser in der Region.
Unter dem Dach bestehen die Wände aus vertikalen Glaspaneelen, die natürliches Licht in den eleganten Innenraum einfallen lassen. Erstaunlich ist, wie die zierlichen Holzsäulen das Gewicht des Daches tragen können.
OGNA, Trun
Auf dem Weg nach Vals können Sie in Trun, einem Ort mit etwas mehr als 1000 Einwohnern, einen kurzen Halt einlegen, um die OGNA zu besichtigen. OGNA, das letzte Werk von Matias Spescha (1925–2008) ist mit einer Länge von 48 Metern, einer Breite von 30 Metern und einer Wandhöhe von 5,5 Metern die grösste Skulptur der Schweiz.
Die OGNA wurde 2013 eingeweiht und ist Tag und Nacht durch eine türartige Öffnung in einer der Wände frei zugänglich. Was den Namen betrifft, so ist Ogna der Plural von Ogn, dem rätoromanischen Wort für Erle. Dieser bezieht sich auf den Wald gleich nebenan.
In dieser Skulptur zu sitzen, während die Wolken vorbeiziehen und die verschiedenen Elemente ständig wechselnde Schatten werfen, ist beinahe eine meditative Erfahrung.
Therme, Vals
Auf einer Höhe von 1250 Metern gelegen, hat Vals eine Bevölkerung von etwa 1000 Bewohner. Wenn Sie in Vals ankommen, können Sie die Hotelanlage am Ortseingang nicht übersehen. Es wurde in den 1960er-Jahren rund um die einzige Thermal-Mineralquelle Graubündens gebaut. Heute wird das Wasser aus der Quelle zwischen der Therme Vals und dem berühmten Valser Flaschenwasser aufgeteilt.
Etwas höher auf dem Hügel befindet sich der Eingang zur Therme, die von Peter Zumthor entworfen und aus 60’000 lokalen Quarzitplatten gebaut wurde. Das Gebäude ist so besonders, dass es nur zwei Jahre nach seiner Einweihung unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Insgesamt gibt es sieben Becken in der Therme. Jedes hat eine andere Atmosphäre und die Wassertemperaturen variieren zwischen 14 und 42 Grad Celsius. Ich empfehle sehr, den Rest des Nachmittags hier zu verbringen!
Tag 4.
Fahrt nach St. Moritz
Auf dem Weg von Valendas und dem herrschaftlichen Türalihus nach St. Moritz können Sie weitere architektonische Sehenswürdigkeiten entdecken.
Steinkirche, Cazis
Die Steinkirche wurde 1995 von Werner Schmidt für die evangelische Kirchengemeinde Cazis entworfen.
Beim Baubeginn im April 1996 wurden 108 verschiedene Holzelemente wie Orangenscheiben auf ein Fundament gelegt, mit einem feinmaschigen Metallgitter abgedeckt und anschliessend mit Spritzbeton 15 cm dick verputzt. Im Januar 1998 wurde die Kirche mit einer provisorischen Heizungsanlage in Betrieb genommen. Der Architekt Diederik Peper aus Chur hat das Innere der Kirche anschliessend fertiggestellt, bevor sie im Januar 2002 offiziell eröffnet wurde.
Atelier Bardill, Scharans
Das von Valerio Olgiati entworfene und 2007 fertiggestellte Atelier Bardill ersetzt eine alte Scheune, deren Aussenmasse exakt eingehalten werden mussten, um eine Baugenehmigung zu erhalten.
Das Studio enthält einen Arbeitsraum und ein Atrium mit einer 14 m breiten runden Öffnung. Die Betonaussenwände haben keine Fenster und auf den ersten Blick scheint es auch kein Dach zu geben.
Autor.
Dominik Gehl
Dominik ist ein Software-Ingenieur aus Lausanne mit einer grossen Leidenschaft für moderne Architektur und Fotografie. Seine Bilder teilt er auf Instagram und auf dem englischsprachigen Online-Magazin «Newly Swissed», das 2010 von Dimitri und Mamiko Burkhard gegründet wurde.