Hoch zur magischen Linie.
Natur-Erlebnisse in der UNESCO-Welterbe Tektonikarena Sardona

Etappen
Auf dieser Seite finden Sie die Etappen 3 und 6 von insgesamt 6 verschiedenen Etappen.
Text – Martin Hoch / Bild – Nico Schaerer
Etappe 3
Von Bargis nach Segnespass
Oberhalb von Flims liegt eines der schönsten Hochtäler der Alpen: Bargis. Es liegt versteckt hinter einem Felsriegel, der vor rund 9'500 Jahren durch den Flimser Bergsturz entstanden ist. Dieser gestaltete die gesamte Region neu – so als hätte sich die Natur ein neues Kleid überstreifen wollen. Und so liegt die Alp Bargis richtiggehend zwischen den Felsen eingebettet. Während man der Aua da Mulins folgt, dem Bach, der das Hochtal verspielt mäandrierend durchzieht, und so in Richtung Norden wandert, erblickt man zur linken Seite den Flimserstein, den Crap da Flem. Dabei handelt es sich nicht um einen einzelnen Stein, sondern um ein markantes Hochplateau, das mächtig hinter Flims steht und dessen höchster Punkt sich am Cassonsgrat befindet, auf 2'694 m ü. M. Ab Fidaz dürfen Abenteuerlustige den Flimserstein über den ältesten noch bestehenden Klettersteig «Pinut» erklimmen. Ab Bargis wiederum führt die Scala Mola, ein in den Felsen gehauener Weg, hoch aufs Plateau.


Die Szenerie durchschritten, verengt sich das Hochtal zusehends, die Topografie verändert sich, aus flach wird steil und so geht es im Zickzack hoch zur Alp La Rusna. Hier oben befindet sich nicht nur eine Alphütte, sondern auch eine Kathedrale. Zumindest wird der Ort so genannt. Ein passender Name. Es handelt sich um zwei Wasserfälle, deren Wasser inmitten einer Felsöffnung von der Kanzel über die Felswände tosend zu Boden stürzt. Nun darf man gerne noch eine Stärkung zu sich nehmen, denn danach geht es 650 Höhenmeter hoch zur Fuorcla Raschaglius. Ein Bergübergang, der einem einen Ausblick eröffnet, der mit allerlei Spektakel aufwartet. So fällt der Blick auf den Oberen Segnesboden, ein Schwemmgebiet, das von einem Netz an Wasserläufen durchwachsen ist, daneben thronen der mächtige Atlas und dahinter die Tschingelhörner mit dem Martinsloch. Durchzogen ist das Gebirge von der «magischen Linie», einem gut sichtbaren Gesteinsband aus Lochsitenkalk. Etwas unterhalb dieser Linie, auf der Nordseite des Segnespass, ist schliesslich das Etappenziel erreicht: die wie ein Adlerhorst in den Fels gebaute Segnespass Mountain Lodge, in der man vorzüglich verköstigt wird und nach einem gemütlichen Hüttenabend leichthin Schlaf findet.

Etappe 6
Von Segnesboden nach Flims
Nach einem die Lebensgeister weckenden Kaffee in der Segneshütte und einem Rundgang durch den Besucherpavillon des UNESCO-Weltnaturerbes Tektonikarena Sardona findet man sich bereits nach wenigen Metern am Rande des Unteren Segnesboden. Hier beginnt die Wanderleiterin, Rangerin und GeoGuide Béatrice Paul oft ihre Touren mit Gästen, sie sagt: «Auf dem Unteren Segnesboden wird die Geologie erleb- und die Entstehung der Alpen sichtbar.» Es sei ein einzigartiger Ort, der auch von Geologen aus der ganzen Welt angesteuert werde.
In der Hand hält sie einen grünen Stein und erklärt: «Zwischen 250 – 300 Millionen Jahre alt ist dieses Verrucano-Gestein», schaue man nun hoch zur magischen Linie an den Tschingelhörnern, befinde sich dieses Gestein über der Linie. «Und der Fels unter der magischen Linie besteht aus dem Sedimentgestein Flysch, das einst unter Wasser im Meer durch Ablagerungen entstand und gerademal zwischen 35 – 50 Millionen Jahre alt ist.» Wie nur hat sich dieser geologische Jungspund unter das greisenhafte Gestein gemogelt? «Das brachte Forschende lange zum Verzweifeln», weiss GeoGuide Béatrice.

Denn lange gingen führende Wissenschaftler davon aus, dass sich das hiesige Gebirge durch die sogenannte Alpenfaltung beim Zusammenstoss der Afrikanischen und Eurasischen Kontinentalplatten bildete. Bei einer Gebirgsfaltung wäre es jedoch nicht möglich gewesen, dass älteres auf jüngerem Gestein zu liegen kommt. Schliesslich fanden die Wissenschaftler anhand des sichtbaren Beweises im UNESCO-Weltnaturerbe Tektonikarena Sardona aber zum Konsens, dass die Alpen hauptsächlich durch Überschiebungen entstanden sind und so heisst das hier augenfällige Phänomen: Glarner Hauptüberschiebung. Und welche Rolle spielte die magische Linie dabei? «Der Lochsitenkalk der magischen Linie war das Schmiermittel dazwischen, damit die Gesteinsschichten sich übereinander schieben konnten.»
Auf dem Unteren Segnesboden offenbart sich an einem neben dem Weg liegenden Gesteinsbrocken noch ein geologisches Phänomen. Wer genau hinschaut, kann darauf Fossilien erkennen. Béatrice Paul präzisiert: «Es handelt sich um Nummuliten, ehemalige einzellige Lebewesen aus dem Meer.» Denn einst sei die Schweiz unter Wasser gewesen. Und heute liegt sie nicht mal mehr am Meer, geht einem durch den Kopf. Dafür wartet nun ein anderes Gewässer auf einen. Die Etappe runter nach Flims führt entlang dem Trutg dil Flem, einem teils wilden, teils zahmen Bach mit kunstvollen Auswaschungen und Plätzchen zum Verweilen. Schaut man beim Pausieren genau hin, erkennt man, wie farblich unterschiedlich Steine sein können: rot, gelb oder grün. Wer meint, Steine seien einfach nur grau, darf sich gerne mal auf dem Segnes Trek umschauen.

Auf einen Blick: Durch, im und über Stein
Auf dem Segnes Trek wird die Geologie erlebbar – auf unterschiedlichste Art und Weise. So darf man in ausgewaschenen Steinen, sogenannten Strudeltöpfen, auf der Alp Mora baden, durchs Martinsloch schauen oder über kunstvolle Steinbrücken gehen.
- 7 Brücken des bedeutenden Schweizer Brückenbauers Jürg Conzett überquert man beim Wandern entlang des Trutg dil Flem.
- 250 Millionen Jahre und älter ist das Verrucano-Gestein, das älteste Gestein im UNESCO-Weltnaturerbe Tektonikarena Sardona.
- 100'000 Kubikmeter Gestein sind im Oktober 2024 bei einem Felsabbruch beim Martinsloch ins Tal gestürzt.
- 20 Meter beträgt der Durchmesser des Martinsloch, das durch Erosion entstand.
- 20 Strudeltöpfe laden auf der Alp Mora im Sommer zum Baden ein.

Autor. Martin Hoch
Martin Hoch war über sieben Jahre auf Reisen. Begegnungen mit Menschen und seine Liebe zur Natur prägten ihn. Zurück in der Schweiz arbeitet er als Reisejournalist, unter anderem für «Transhelvetica».